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Eine Geburtsgeschichte

Weil viele von euch von meiner Erzählung über eine Wassergeburt so fasziniert und berührt waren, hab ich mir gedacht ich schreib euch einfach eine Geburtsgeschichte..



Anna und Max erwarteten ihr erstes Kind und endlich sollte es soweit sein. Einige Tage vor dem errechneten Geburtstermin platzte nämlich am frühen Nachmittag Annas Fruchtblase - nicht wie im Film, mit einem riesigen Platsch, sondern ganz heimlich nach dem Mittagsschlaf beim Aufstehen vom Sofa. Das Fruchtwasser schien klar zu sein - roch aber weder nach Harn, noch konnte Anna es mit irgendeinem anderen Geruch vergleichen, den sie kannte - irgendwie komisch süß. Vielleicht lag ihr Baby ja im süßen Zuckerwasser -eine schöne Vorstellung.

Aufgeregt rief sie Max an: es geht los, er solle sich beeilen und nach Hause kommen, denn sie mussten ins Krankenhaus!

Damit hatte Anna doch nicht gerechnet - dass diese Fruchtblase schon vor dem Einsetzen der ersten Wehen springen würde. In den letzten Tagen hatte sie zwar immer wieder ein starkes Ziehen gespürt, doch so wie es ihre Hebamme im Geburtsvorbereitungskurs beschrieben hatte, waren es noch keine richtigen Geburtswehen gewesen. Anna musste zwar immer wieder innehalten und dieses Ziehen irgendwie verschnaufen, es war aber weder regelmäßig gekommen und gegangen, noch hatte sie das Gefühl als würde es nun richtig losgehen.

Im Krankenhaus angekommen spürte sie wieder ein leichtes Ziehen, das allerdings auch von ihrer Aufregung kommen konnte. Max und sie hatten nämlich auf der ganzen Autofahrt kein Wort geredet - sie beide dachten wohl das Selbe. Nach Hause kommen würden sie zu dritt, mit einem neuen Leben im Gepäck.

Eine Hebamme hängte Anna ans CTG, um die Herztöne ihres Babys zu kontrollieren und machte eine vaginale Untersuchung - der Muttermund war zwar einen Zentimeter geöffnet, aber Anna hatte eigentlich noch keine "richtigen" Wehen, wie sie meinte. Eine Ärztin machte noch einen Ultraschall, alles war perfekt - nun sollten nur noch diese Wehen kommen und einer tollen Geburt sollte nichts im Weg stehen. Zwölf Stunden hatten sie Zeit, bevor eine Einleitung drohte, um dem Risiko einer Infektion beim Kind entgegenzukommen.

Trotz der drohenden Einleitung fühlte sich Anna gelassen, wär doch gelacht, wenn sich dieses gemeine Ziehen nicht schon vorher in Wehen verwandeln würde.

Nach den Kontrollen spazierte sie gemeinsam mit Max durchs Krankenhausgelände, da er, aufgrund der Corona Situation, erst im Kreißsaal dabei sein durfte. Ihre Aufregung war verflogen und sie blödelten und lachten.

Anna fühlte sich irgendwann müde, sie schickte Max nach Hause, er solle sich doch am besten auch noch ein bisschen aufs Sofa legen, und ging zurück in ihr Zimmer für, eine weitere Herztonkontrolle. Anna fühlte sich als hätte sie eine anstrengende Wanderung hinter sich. Zugegebenermaßen waren die letzten Nächte kein Zuckerschlecken mehr gewesen, sie wachte nämlich ständig auf, weil ihr das Baby auf die Blase drückte.

Nachdem die Hebamme die CTG Stempel an ihren Bauch geschnallt hatte, war sie sofort eingeschlafen und sie bemerkte weder, dass eine andere Frau in ihr Zimmer gelegt wurde, noch dass ihr ein Tablett mit Essen ans Bett gestellt wurde.

Anna hatte einen wilden Traum über Magenkrämpfe, die unglaublich stark waren. Sie wachte auf und bemerkte, dass die Krämpfe auch jetzt noch anhielten. Puh.

Es war inzwischen dunkel geworden, 20:30 Uhr. Sie hatte wohl den ganzen Abend verschlafen und zig Anrufe in Abwesenheit auf ihrem Handy - Max, Mama, Max, Max, Max, Mama, Max, Max... Ein weiterer Krampf überkam sie und sie musste ihr Handy weglegen, um dem Schmerz zu veratmen. Sollte sie eine Hebamme rufen?

Abwarten, zu Hause war das doch auch schon so ähnlich. Also wartete sie und in der nächsten Stunde hatte sie immer wieder diese starken Krämpfe - ihr Bauch wurde hart wie ein Stein, ihr Baby schob nach unten und sie merkte das Ziehen bis in ihre Oberschenkel. Puh das war ganz schön anstrengend. Nachdem ihre Zimmerkollegin sie bemitleidend angesehen hatte, beschloss Anna nun doch jemanden zu rufen. Kaum hatte sie auf den roten Knopf am Telefon gedrückt, kam schon die nächste Wehe.

Das waren sie also, diese richtigen Wehen, dachte sie. Doch dann musste sie sich schon wieder auf den Schmerz konzentrieren, ihn so gut es ging veratmen, dort hinatmen wo es weh tat, wie ihr die Hebamme vom Geburtsvorbereitungskurs erzählt hatte - und es klappte.

Eine Hebamme, die sie bisher nicht kennengelernt hatte, kam ins Zimmer. Sie stellte sich mit Mara vor, fragte ob es ok wäre, wenn sie per Du wären und ob sie die Herztöne des Babys kontrollieren durfte. Mara war da und es tat Anna irgendwie gut zu wissen, dass jemand da war, der wusste was passiert. Eine nächste Wehe überkam sie, bevor sie Mara antworten konnte, welche erstaunt unter ihrer Maske hervorlugte. Sie sollten den Plan doch ändern und vielleicht Annas Muttermund kontrollieren - es wäre schon gut möglich, dass Anna in den Kreißsaal konnte, so stark wie ihre Wehen klingen würden.


Das CTG würden sie in den Kreißsaal verlegen, meinte Mara überrascht - Annas Muttermund sei nämlich schon 4cm offen, ganz fein und weich. Noch bevor Anna überlegen konnte, hatte Maja schon ihre Tasche aufs Bett gepackt und wollte.. - ein nächster Krampf überkam sie, diesmal stärker als alle anderen zuvor. Anna versuchte ihren Atem in Richtung Schmerz zu lenken, locker zu bleiben und lange auszuatmen und siehe da, es klappte wieder und die Wehe ging vorbei.

Vielleicht wäre ein entspannendes Bad nun das Richtige - meinte Mara als die Beiden Richtung Kreißsaal gingen - Anna hielt sich an ihr fest und veratmete jede Wehe, die sie überkam. Im Stehen spürte sie nun, wie fest ihr kleines Baby nach unten schob, als ob es ihr sagen wollte - he du, ich will nun endlich raus.

Als sie endlich im Kreißsaal angekommen waren, rief Anna Max an - er solle doch "ganz in Ruhe", ins Krankenhaus kommen, wie es Mara zuvor formuliert hatte. Es war soweit.

Das Rauschen des Wassers beruhigte sie und sie konnte gar nicht mehr sagen, wie viele Wehen vergangen waren, bis Anna endlich in die Badewanne konnte. Das Wasser war angenehm warm und sie konnte sich sofort entspannen - tat das gut.

Mara meinte wie wunderbar sie das machen würde, so unglaublich entspannt. Anna fühlte sich alles andere als das, aber es tat gut zu hören, dass sie es schaffen würde und dass sie es gut machte.

Dann war plötzlich Max da. Anna hatte gar nicht bemerkt, dass er hereingekommen war, so konzentriert hatte sie sich der Wehe hingegeben. "Hallo Schatz, wie schön, dass du das Wellnessprogramm in Anspruch nimmst", blödelte er. Er küsste sie aufgeregt und setzte sich an die Wanne. Nervös bewegte er sein Knie auf und ab - "lass das! du machst mich ganz unruhig!

Sei doch nicht so aufgeregt, es ist ja alles" - die nächste Wehe überkam sie...

sie hörte Mara, wie sie ihr gut zuredete und dann war sie auch schon wieder vorbei. Wow, meinte Max beeindruckt und schaute sie liebevoll an.

Wie viele Wehen es waren, bis sie merkte, dass ihre Blase drückte, wusste Anna nicht mehr. Irgendwann stieg sie aus der Badewanne und torkelte, gestützt von Max und Mara, zum Badezimmer. Mara hatte sie zuvor gewarnt, dass die Wehen nun außerhalb der Wanne und vor allem auf der Toilette besonders intensiv waren und so konzentrierte sie sich wieder auf das zunehmende Schieben nach unten, das Ziehen in ihrem Bauch und den Druck im Becken. Anna fühlte sich müde und schlapp, wie sollte sie das doch jemals schaffen?

Als hätte Max ihre Gedanken gehört, flüsterte er ihr beeindruckt ins Ohr, wie unglaublich stolz er auf sie war und dass sie das einfach genial machte. "Schatz, du bist soo stark!"

Anna torkelte zurück ins Zimmer und fand sich nach der Wehe seitlich im Bett - es tat gut einfach die Augen zu schließen und kurz zu schlafen - diese Pausen waren unglaublich angenehm.

Dem Baby ging es gut, meinte Mara, die ein weiteres Mal seine Herztöne kontrolliert hatte. Mara gab Anna ein Gefühl von Sicherheit. Obwohl sie nicht viel sprach und einfach nur da war, tat es unglaublich gut, ihre Nähe zu wissen. Zu wissen, dass sie nur für Max und sie da war.

Anna ließ sich von Max zu trinken geben und ihre Hand streicheln, bekam von ihm einen kalten Waschlappen auf die Stirn und schlief in den Pausen ein. Ein unbeschreiblicher Druck machte sich schleichend in ihrem Becken breit, den sie anfangs nicht zuordnen konnte, der aber nicht mehr verschwand.

Die Wehen wurden mehr und mehr, Anna wurde wieder wacher und dieser unbeschreibliche Druck nahm zu.

"Ich kann nicht mehr! Ich schaffs nicht! Ich kann nicht mehr" Es tat einfach höllisch weh und sie hatte keine Lust mehr. Wie weit war dieser Weg denn noch und wie sollte sie das noch ertragen?

Mara schaute auf - ihre Augen lächelten: "Oh Anna du machst das so unglaublich toll" -

Max` Gesicht war ganz nah bei ihr und er grinste - er fragte sie, ob sie sich noch an den Satz der Hebamme im Geburtsvorbereitungskurs erinnern würde - daran was sie damals gesagt hatte - Ich kann nicht mehr bedeutete nämlich, dass es nicht mehr weit war. Doch Anna wollte von alldem nichts hören, sie wollte nur noch hier raus. Dieser Druck in ihrem Becken war unerträglich und sie konnte einfach nicht mehr. - außerdem hätte sie gerne gewusst wie weit dieser verdammte Muttermund noch brauchte und so bat sie Mara um eine Untersuchung.

8cm war er offen. Anna wäre einfach fantastisch, meinte Mara lächelnd und bat ihr ein weiteres Mal die Badewanne an, die sie dankend annahm. Ein bisschen Wärme würde ihr gut tun.

Es war inzwischen o:3o Uhr und heute würde ihr Baby wohl wirklich zur Welt kommen dachte Anna. Irgendwie fühlte sie sich im Wasser anders, unglaublich glücklich und müde zugleich. "Du bist so toll Anna", flüsterte Max ihr zu.

Sie veratmete jede Wehe wie bisher - konzentrierte sich auf den Schmerz und den Druck, atmete dort hin und versuchte sich zu entspannen. Ganz bei sich selbst, alle Gedanken auf sie und ihr Baby gerichtet. Der Druck nahm zu, Anna stöhnte auf. Sie spürte ihr Baby immer tiefer und tiefer sinken und in der Wehe vernahm sie ein sehr bekanntes Gefühl - als müsste sie für große Mädchen, ganz dringend - Verstopfung oder so.

Das warme Wasser war ihr Freund und sie konnte sich fast schwerelos bewegen, geradeso wie sie es fühlte.

Der Druck nahm weiter zu und Mara erklärte ihr warum sie ihn spürte: es war nämlich das Köpfchen des Babys, das in der Wehe auf Annas Enddarm drückte und dann, in der Pause, wieder nachließ. Irgendwann würde der Druck bleiben, erklärte Mara.

Max reichte ihr Cola, deren Zucker ihr neue Energie gab. Anna fühlte sich wie in einer Blase, sie nahm Max und Mara nur noch verschwommen war, wie sie sie lobten und versorgten. Sie schlief in der Pause weg und sammelte somit neue Kraft, atmete dem stärker werdenden Druck entgegen und ging mit den Wehen/Wellen - sie surfte.

Im Hintergrund hörte sie wie Mara einige Plastikpackungen aufriss. Ein metallisches Geräusch. Und dann hörte sie sich selbst, wie sie tief stöhnte.

Oh, so hatte sie sich selbst noch nie gehört.

Das Gefühl von Verstopfung nahm zu und Anna hatte das Bedürfnis, dass es raus musste. Sie drückte und es war ein gutes, unglaublich befreiendes Gefühl. Anna konnte sich nicht mehr hingeben und atmen, sie musste nun mithelfen. Ihrem kleinen Baby, das da auf ihren Darm drückte. Sie wollte ihm helfen, es endlich in ihren Armen halten.

Ihre Gedanken waren nun ganz klar, sie war da, vollkommen. Sie saß in diesem warmen Wasser, Max war an ihrer Seite. Was gab es Schöneres als ihr Baby hier willkommen.. die nächste Wehe überkam sie und sie presste mit. Das tat gut. Es tat so weh, aber es tat gut.

"Pause - ...und nochmal lange ausatmen, alles fallen lassen", hörte sie Mara sagen.

Anna schob in der Wehe, sie atmete in der Pause, trank Cola und wurde von Max geküsst. Der Druck nahm zu und verwandelte sich in ein Spannen. Ihr gesamtes Gewebe schien sich zu dehnen und zu weiten - es zog und spannte und übertrumpfte sogar den Druck auf ihrem Darm. Anna beobachtete wie ihr Bauch sich in der Wehe verformte, wie sie ihn mit voller Kraft nach unten schob und wie er wieder locker ließ als die Wehe vorbei war.

Es war 2:04 Uhr und sie hatten es bald geschafft, das wusste sie.

Anna hatte nun einige längere Pausen zwischen den Wehen, die sie dankbar genoss. Sie sammelte ihre letzte Kraft und spürte in sich selbst hinein - fühlte ihr Baby in ihrem Bauch. Bald würde es auf ihr liegen. Sie trat wieder in diese andere Ebene

- als die Wehe kam schob sie mit aller Kraft, dachte nicht nach - es war alles egal, sie wollte ihr Baby. Ihr Gewebe spannte und zog, es drückte überall! - ein Gefühl, das sie in ihrem Leben noch nie gespürt hatte.

"Atmen und erst schieben wenn die Wehe kommt", meinte Mara, die behutsam ihre Hand auf den Kopf ihres Kindes gelegt hatte. Den Kopf?! "Dunkle Haare", flüsterte Max, mit Tränen in den Augen. "Anna du schaffst das."

Dann kam die nächste Wehe, Anna drückte, schob, presste, was sie konnte - beobachtete wie sich dieses kleine Wesen ins Wasser drehte, wie Mara ihre Hände führte und Anna ein kleines Mädchen aus dem Wasser hob. IHR kleines Mädchen.

Sie hatten es geschafft. Ein blau-violettes kleines Geschöpf lag auf ihrer Brust - 1, 2, 3, 4 - und dann schrie es, ein quietschiger, zarter, frischer Schrei, der sich in ein regelrechtes Brüllen verwandelte. Mit weißen, warmen Tüchern wurde sie eingepackt und Max half Anna das kleine Mädchen zu halten - IHR kleines Mädchen.

Sie war da und sie würden zu dritt nach Hause kommen, mit einem neuen Leben im Gepäck.

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